Stellungnahme zur psychischen Gesundheit von Schüler*innen

Die Antwort des LSV BS SH zum Fachgespräch

Am 11.07.2024 fand im Landtag ein Fachgespräch zur psychischen Gesundheit von Schüler*innen statt. Anlässlich dieses Gespräches wurde die LSV um eine schriftliche Stellungnahme gebeten, um welche Fragen und Inhalte es geht und was wir dazu zu sagen haben, könnt ihr hier nachlesen. Vielen Dank auch an die Schulpsychologin des BBZ Plön und die zahlreichen Schüler*innen, die uns durch ihre Erfahrungen darin unterstützt haben, die Schülerschaft bestmöglich in der folgenden Stellungnahme zu vertreten!

Wie geht es den Schüler*innen, und welche Ursachen sehen Sie dafür?

Wir als LSV BS SH erleben, dass es den Schülerinnen in einem beachtlichen Maß nicht gut geht. Die Zahl der psychischen Belastungen und den damit verbundenen Auswirkungen ist enorm und begegnet uns in unserer Arbeit immer wieder. Durch Gespräche mit Schüler*innen in und außerhalb des Schulalltages wird deutlich, dass vielen von uns Belastungen bemerken, die sich nicht unerheblich auf ihre psychische Gesundheit auswirken.
Auch Studien belegen, dass psychische Auffälligkeiten und Belastungen eher zunehmen, als
dass sie weniger werden (Quelle: 1, 2). In einem Gespräch mit der Schulpsychologin Lyn Sakewitz des
BBZ Plön bestätigte diese, dass es vielen Schüler*innen psychisch nicht gut geht. Dies merkt sie nicht nur in Gesprächen, sondern auch darin, dass ihre Vollzeitstelle komplett ausgelastet ist und sie fast ausschließlich im Bereich der tertiären Prävention arbeitet und nicht wie vorgesehen auch in der primären und sekundären Prävention.

Die Ursachen für die psychische Belastung der Schüler*innen sind vielfältig. So stellen wir im
Austausch mit Schüler*innen fest, dass finanzielle und familiäre Belastungen, fehlende Hilfsstellen und Fachkräfte/Ansprechpersonen und vor allem der Schulstress Ursachen für Stress, Überforderung, Leistungsdruck und Verzweiflung sind. Der Anstieg der Lebenshaltungskosten, die Inflation, unzureichende finanzielle Unterstützungen und dessen Folgen wirken sich auch auf die Schüler*innen aus. Gerade diese, aber auch weitere
Problematiken führen zu familiären Problemen, was zur zusätzlichen Belastung wird. So
kommen viele Schüler*innen zu Hause nicht zur Ruhe. Wenn es dann in die Schule geht, begegnen ihnen Unterrichtszeiten, die ihren Schlaf- und Biorhythmus noch weiter beeinträchtigen, Leistungsdruck und Bewertungen, fehlende Infrastrukturen, Lehrermangel und viele weitere Probleme, die das Stresslevel weiter oben halten. Es fehlt hier eindeutig an (geschulten) Lehrkräften und einem weitreichenden Unterstützungssystem. Auch wenn es eine Schulpsychologin gibt, reicht diese meist nicht aus, um den Bedarf auch nur im Ansatz abzudecken.

Um mit all dem fertig zu werden, benötigt es Resilienz. Um diese aber überhaupt entwickeln zu können, bedarf es der grundlegenden Gesundheitsressourcen. Eine gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung, einen gesunden Schlafrhythmus und Entspannung im Alltag sind also die Voraussetzungen, um überhaupt die Fähigkeit zu entwickeln, mit allen weiteren Problemen fertig zu werden. Über diese Voraussetzungen verfügen jedoch immer weniger Schüler*innen, das bestätigte auch Frau Sakewitz. Zudem merkt man immer noch die Auswirkungen der Corona Pandemie, denn von lange isolierten jungen Menschen erwartet man auf einmal wieder in einem System zu funktionieren, für das vorige wichtige Entwicklungsschritte und Erfahrungen nicht gemacht werden konnten. Des Weiteren gibt es
viele weitere Ursachen, wie Mobbing, die Auswirkungen des digitalen Zeitalters auf die
psychische Gesundheit und vieles mehr, die Ursachen für eine schlechte psychische
Gesundheit darstellen.

Welche Maßnahmen könnten die psychische Gesundheit an Schulen langfristig verbessern?

Es gibt viele unterschiedliche Maßnahmen, die dafür sorgen können, dass sich die psychische
Gesundheit an Schulen langfristig verbessert. Die Schule muss als erstes ein Safe Space für
Schüler*innen sein, ein Ort, an dem sie sich sicher, wohl und gesehen fühlen. Das erfordert die entsprechenden Räumlichkeiten und Ausstattungen (z. B. Ruheräume), dies fordern wir in unserem Grundsatzprogramm (2. Lebensraum Schule, Punkt 2.1 und 2.3), denn Schule bildet einen elementaren Bestandteil des Lebensraumes der Schülerinnen, wenn dieser keine Sicherheit, Möglichkeit zur Entfaltung und gute Rahmenbedingungen bietet, hat das gravierende Auswirkungen. Zudem sind ein funktionierendes und niedrigschwelliges Hilfesystem und eine Minderung der psychischen Belastung durch die oben genannten Ursachen wichtig.

Somit wäre eine Maßnahme, die Anzahl der Stellen für Schulpsycholog*innen und Schulsozialarbeiter*innen zu erhöhen, sodass eine weitreichendere Versorgung sichergestellt
werden kann. Um dann genau diese Stellen auch mit Fachpersonal besetzen zu können,
fordern wir, dass man auch den Einstieg in die Schulsozialarbeit vereinfacht. So könnten
Erzieher*innen durch Weiterbildungen statt durch ein Studium in diesen Beruf einsteigen, gerade mit entsprechender Berufserfahrung, dies ist ein Thema, was uns sehr wichtig ist und was wir als erforderliche und vernünftige Maßnahme sehen. Dies würde allen Seiten zugutekommen! Auch ist es wichtig, mit externen Hilfeorganisationen und Fachpersonal zusammenzuarbeiten und ein Hilfesystem zu schaffen, welches schnell und umfassend belastete Schüler*innen auffängt.

Überfordernde Lernbedingungen sind Auslöser für Ängste, depressive Symptome und
psychosomatische Beschwerden (Quelle: 1), somit wären Anpassungen der Schulzeiten,
Leistungsansprüche und der Infrastruktur nötige To Dos, um Belastungen zu reduzieren. Es
kann bei dem aktuellen Lehrkräftemangel und den daraus resultierenden
Unterrichtsausfällen oder weniger effektiven Alternativen und den Krisen in der Welt nicht
angehen, dass der Leistungsanspruch der gleiche bleibt und erwartet wird, dass
Schüler*innen dadurch keinen Stress und Belastungen erleben. Die Unterrichtsqualität muss also sichergestellt werden, dies erreicht man z. B. auch darin, dass neue Lehrkräfte, insbesondere Quereinsteiger*innen, entsprechend der aktuellen Herausforderungen geschult und vorbereitet werden. Dies fordern wir in unserem Grundsatzprogramm (5. Unterrichtsqualität Punkt 5.1) sowie die Fortbildung bestehender Lehrkräfte (Punkt 5.2) , hier können diese insbesondere darin geschult werden, wie man mit Schüler*innen umgeht, denen es psychisch nicht gut geht. In einer so schnelllebigen Welt mit immer neuen Herausforderungen bleibt das Schulsystem starr und kollidiert mit der Lebensrealität der jungen Menschen, hier ist Veränderung nötig!

Zudem müssen die Gesundheitsressourcen der Schüler*innen gestärkt werden. Ein Kurs oder Fach, in der es um genau diese Grundlagen geht, wäre mehr als nötig, genau wie die Ausrichtung der Schule auf die Bedürfnisse der Schüler*innen. Wie sollen sich Schüler*innen gesund ernähren, wenn es kein entsprechendes Angebot in den Schulen gibt, wie sollen sie sich genug bewegen, wenn es dafür keine Möglichkeiten in den Schulen gibt und Bewegung noch massiv eingeschränkt wird? Es bedarf hier massiven Handlungsbedarf, dies fordern wir mit Nachdruck (Grundsatzprogramm: 2. Lebensraum Schule, Punkt 2.3)!

Des Weiteren sind die Kommunikation und Vernetzung innerhalb der Schulen wichtig.
Lehrkräfte, Schulpsycholog*innen und Schülervertretungen dürfen nicht als einzelne Räder betrachtet werden, sondern müssen ineinandergreifen und zusammenarbeiten. Dafür ist es wichtig, dass die Schülervertretungen respektiert und anerkannt werden. Wir wissen doch mit am besten, was die Schüler*innen brauchen, was sie beschäftigt und was wichtig wäre.
Somit sollten die Schülervertretungen mehr in Entscheidungen miteinbezogen werden und
Gehör finden.

Auf welchen Maßnahmen sollte dabei der Fokus liegen?

  1. Ausbau des Hilfesystems und Bereitstellung von ausreichend Schulpsycholog*innen und Schulsozialarbeiter*innen.
  2. Seminare / Kurse / Unterricht zur Verbesserung des Gesundheitsressourcen der
    Schüler*innen.
  3. Die Anpassung der Lernbedingungen und schulischen Rahmenbedingungen auf die
    Herausforderungen und Bedürfnisse der Schüler*innen.

Welche Fachkräfte werden zur Bewältigung dieser Aufgabe an Schulen benötigt?

Als erstes ganz klar weitere Schulpsycholog*innen, Schulsozialarbeiter*innen und weiteres
geschultes Personal. Wir brauchen Fachkräfte, die sich mit den Problematiken auskennen
und angemessen darauf reagieren können, zudem entlasten sie das ganze System Schule, da
ja auch Lehrkräfte und die Schülervertretung dort Anlauf finden. Es ist für alle Akteure
wichtig, eine Anlaufstelle zu haben, bei der es Rat und Hilfe gibt.

Für Seminare / Kurse / Unterricht werden natürlich auch Fachkräfte gebraucht, die sich im
Bereich der Primär- und Sekundärprävention auskennen. Dies können wiederum
Schulpsycholog*innen und Schulsozialarbeiter*innen sein, aber auch externe Fachkräfte von
Hilfsorganisationen oder Ähnlichem. Der genaue Bedarf richtet sich nach der Maßnahme,
somit muss man hier genauer und im Einzelfall schauen.

Bei den schulischen Lern- und Rahmenbedingungen ist nicht eine bestimmte Fachkraft,
sondern das ganze System Schule bzw. die Schul- & Bildungspolitik gefragt.

Wie schätzen Sie den Bedarf an Fachkräften dazu ein?

Der Bedarf an Fachkräften ist für ein so flächendeckendes und weitreichendes
Unterstützungssystem ist sehr hoch. So bräuchten wir mindestens das doppelte an
Schulpsycholog*innen und Schulsozialarbeiter*innen. Je nach Schulart kommen dann noch
mal mehr und andere Fachkräfte dazu. Zudem ist der Bedarf auch abhängig von der genauen
Maßnahme und deren Umfang.

Wie müsste die Zusammenarbeit von Schule und außerschulischen Partner*innen gestaltet sein, um Schüler*innen bei psychischen Belastungen besser zu unterstützen?

Die Zusammenarbeit müsste vor allem sichtbar und transparent sein. Bei Kooperationen mit
außerschulischen Partner*innen ist es wichtig, diese Personen oder Institutionen einzuladen, vorzustellen und bekannt zu machen. Es braucht den nahbaren und persönlichen Kontakt zu den Schüler*innen. So könnte man Veranstaltungen mit diesen Kooperationspartner*innen organisieren, an denen sie sich vorstellen und Fragen gestellt werden können.

Zudem ist es wichtig, eine Adressaten gerechte Kommunikation und Präsentation von Angeboten und Möglichkeiten zu gestalten. Flyer im Foyer ziehen nicht die Aufmerksamkeit auf sich und sind kein Informationsmedium, dem sich die junge Generation bedient. Angebote müssen auf den geeigneten Kanälen sichtbar sein.

Welche Rolle kann und muss der Ganztag zukünftig spielen, um Schüler*innen resilienter zu machen oder sie bei psychischer Belastung zu unterstützen?

Der Ganztag muss wie auch die Schule an sich ein Schutzraum und ein Vorbild sein. Es
braucht hier viel mehr Personal und die räumlichen Ressourcen. Vor allem muss spätestens
hier Raum für die Gesundheitsressourcen sein. Essen, welches gesund ist, Raum und Zeit für
Bewegung, Entspannung und die Möglichkeit, sich auszuruhen.

Uns ist wichtig, dass wir endlich die Ressourcen bekommen, damit Schule zu einem sicheren und
gesunden Ort für Schüler*innen wird und dass alle Akteure ihre Sicht erweitern und
zusammenarbeiten, denn wir haben alle das gleiche Ziel, gesunde und fürs Leben gerüstete junge
Menschen aus der Schule zu entlassen


Quellen:

Quelle 1: Pädiatrie & Pädologie, 2023, S. 8–12, online unter: https://doi.org/10.1007/s00608-022-01031-7

Quelle 2: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 2023, S. 391–401 online unter: https://doi.org/10.1007/s00103-023-03674-8